Um Erfolg zu haben, muss man seinen Verstand benutzen. Was bedeutet, seinen Verstand benutzen?
Benutzen kann man nur, was man hat. Wieviel Verstand ein Mensch hat, wird als Intelligenz bezeichnet und als Intelligenzquotient gemessen. Die Intelligenz ist angeboren, also eine Fähigkeit, kann aber in gewissem Maß durch Training gesteigert werden.
Wie man den Verstand benutzt, wird als Rationalität bezeichnet. Rationalität ist die Methode, die Fähigkeit Intelligenz als Werkzeug anzuwenden. Werkzeuge sind die Mittel, mit denen ein Zweck realisiert wird. So ist der Hammer das Mittel um den Zweck "Nagel in Wand treiben" zu realisieren.
"Zweckrational handelt, wer sein Handeln nach Zweck, Mittel und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen die Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nebenfolgen, wie endlich auch die verschiedenen möglichen Zwecke gegeneinander rational abwägt: also jedenfalls weder affektuell (und insbesondere nicht emotional), noch traditional handelt." (Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, § 2)
Die Methode der Rationalität besteht darin:
- Allgemein: Fragen stellen, Informationen sammeln, strukturieren und bewerten, Antworträume eröffnen, mögliche Antworten entwerfen, begründete Entscheidungen treffen, Widersprüche ausräumen oder utilisieren, Muster erkennen, Gefühle zur Sache und Bauchentscheidungen berücksichtigen, aber nicht verabsolutieren (auch Bäuche können irren) usw., also: sich Zeit nehmen und nachdenken.
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Speziell:
- Unsere Beschreibungen konsistent (widerspruchsfrei, in sich stimmig) zu machen, weil uns sonst niemand verstehen kann und wir nicht erfolgreich handeln können. Natürlich, unter besonderen Bedingungen kann Inkonsistenz zeitweilig hilfreich sein, z.B. um alternative Beschreibungen zu finden.
- Unsere Beschreibungen kohärent (Zusammenhang, Abhängigkeit, Anschlussfähigkeit) zu machen, damit unsere Wirklichkeit nicht in unverbundene Bereiche zerfällt. Natürlich, unter besonderen Bedingungen kann Inkohärenz zeitweilig hilfreich sein, z.B. um eine Beschreibung tiefer zu durchdenken und dazu erstmal von bestimmten Zusammenhängen abzukoppeln.
Ein Maßstab für die Rationalität von Handlungen ist der Horizont, in dem gehandelt wird: Zeit, Raum, Nebenfolgen, Betroffene etc. Je weiter der Horizont, desto rationaler die Handlung. Ein weiter Zeithorizont bedeutet: Es wird weit vorausgedacht. Eine Handlung mit kurzem Zeithorizont wäre es, z.B., aus Durst eine Flasche Schnaps zu klauen - und danach den zehnfachen Preis der Schnapsflasche als Geldstrafe zahlen zu müssen. Es dürfte einsichtig sein, dass in solch einem Fall der Verstandesgebrauch defizitär ist.
Der Mensch hat, zumindest sagt das unsere Beschreibung "so far", einen freien Willen. Er kann sich entscheiden zu denken oder nicht zu denken, er kann sich entscheiden, seinen Verstand zu benutzen oder nicht zu benutzen, er kann sich entscheiden, alternative Beschreibungen zu erwägen oder auf seinen Beschreibungen "so far" blind zu beharren. Kein Mensch muss sich für Erfolg entscheiden, nicht einmal für Überleben - jeder trifft seine individuellen Entscheidungen. Egal, wie sich ein Mensch entscheidet: Überleben und Erfolg haben kann er nur, wenn er seinen Verstand benutzt, um zwischen alternativen Beschreibungen zu wählen. Wer sich weigert, seinen Verstand zu benutzen, kann ohne die Hilfe anderer Menschen nicht einmal überleben.
Wir lehnen die Beschreibung des Menschen als sündig, korrupt, unfähig, barbarisch, böse oder unvernüftig ab. Diese Beschreibung scheitert an der Beschreibung der großartigen Errungenschaften der Menschheit von den Kunstwerken über die Wissenschaft bis zur Technik. Alle diese Errungenschaften basieren auf dem Gebrauch des Verstandes.
"Die größten Wahrheiten widersprechen oft geradezu den Sinnen, ja fast immer. Die Bewegung der Erde um die Sonne - was kann dem Augenschein nach absurder sein? Und doch ist es die größte, erhabenste, folgenreichste Entdeckung, die je der Mensch gemacht hat, in meinen Augen wichtiger als die ganze Bibel" (J.W. v. Goethe)
Natürlich gibt es Kriege, Verbrechen, Grausamkeiten, Hungersnöte und Elend. Warum? Weil es Menschen gibt, die ihren Verstand nicht benutzen! Es gibt Menschen, die nur ein Produkt der Umstände, ihrer Erziehung oder der sozialen Konventionen sind. Sie sind es deshalb, weil sie sich so entschieden haben. Kein Mensch ist von Natur aus gut oder schlecht. Alles was ein Mensch ist, ist die Konsequenz seiner Entscheidungen und demzufolge seiner Handlungen. Er kann sich für Vernunft, Wissen, Wirklichkeit und Erfolg entscheiden und sich dadurch zu einem guten Menschen erschaffen. Er kann entscheiden, nicht zu denken, Wissen zu vermeiden, nicht zu schaffen und sich dadurch zu einem bösen Menschen entwickeln, dem Gewalt als einzige Handlungsmöglichkeit bleibt.
Um vernünftige Entscheidungen zu treffen, muss man Fragen stellen, in-Frage-Stellen, insbesondere sich selbst in die Frage stellen. Das kann prinzipiell jeder Mensch. Deshalb kann jeder Mensch vernünftige Entscheidungen treffen.
Der Mensch hat einen freien Willen. Er entscheidet. Dadurch erschafft er sich zu dem, was er ist: "so far". Er kann jederzeit darüber hinaus gehen und sich neu beschreiben: "from now on". Damit ein Mensch nicht immer jede Entscheidung neu durchdenken muss, legt er sich moralische Spielregeln zu, Werte, an denen er seine Entscheidungen orientiert.
"Man has been called a rational being, but rationality is a matter of choice -
and the alternative his nature offers him is: rational being or suicidal animal.
Man has to be man - by choice;
he has to hold his life as a value - by choice;
he has to learn to sustain it - by choice;
he has to discover the values it requires and practice his virtues - by choice."
(Ayn Rand, Atlas Shrugged)