Die Grundlage der Thelema-Society ist das "Liber L vel Legis". Wie jeder Text, kann auch dieses Buch verschieden verstanden werden. Wir haben deshalb die Mission (Zweck der Existenz) und die Werte der Thelema-Society explizit bestimmt. Damit ist das "Liber L vel Legis" natürlich nicht ausgeschöpft. Unsere Mission und die Werte sind der Rahmen, innerhalb dessen jedes Mitglied seinen individuellen Umgang mit dem "Liber L vel Legis" gestaltet.
Die Mission ist orientiert an: "Liber L vel Legis"
Vers II. 71: "Doch übertriff! übertriff!"
Die Werte sind orientiert an: "Liber L vel Legis"
Vers I. 3.: "Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern."
Vers I. 40.: "... Tu was du willst sei das ganze Gesetz. ..."
Vers I. 57.: "... Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen. ..."
Vers III. 42.: "... Erfolg ist dein Beweis: ..."
Vers II. 20.: "Schönheit und Stärke, perlendes Lachen und köstliches Ermatten,
Kraft und Feuer sind unser."
1. Die Mission der Thelema-Society
Wir sorgen dafür, daß Menschen über sich hinausgehen.
Das bedeutet natürlich, daß jedes Mitglied der TS (Thelema-Society) über sich hinausgeht. Ansonsten könnte anderen Menschen nicht geholfen werden, über sich hinauszugehen.
Aber was ist das: "Über sich hinausgehen"?
Jeder Mensch stößt im Laufe seines Lebens auf kleinere und größere Probleme. Diese muß er entweder lösen oder er versucht ihnen zu entfliehen. Gegen einen zu lauten Nachbarn kann man entweder eine Schalldämmung anbringen oder umziehen. Das ist der Normalfall.
Dann gibt es sogenannte existentielle Probleme. Das sind Probleme, die unser Leben als Ganzes betreffen. Sie zeigen sich in Fragen und Festellungen wie:
- Fühlt sich mein Leben noch richtig an?
- Warum sollte ich weiterleben?
- Es ist alles so öde!
- Ich will raus aus diesem Käfig!
- Wozu lebe ich überhaupt?
- Gibt es noch mehr als dieses Leben?
Solchen Problemen kann man nicht entfliehen, denn selbst wenn man es scheinbar schafft, kann man den Konsequenzen nicht entgehen. Existentielle Probleme können bei Menschen in bestimmten Lebensphasen oder bei bestimmten Ereignissen auftreten:
- Geburt (oder Abtreibung?)
- Tod nahestehender Menschen
- Pubertät
- Berufswahl
- Midlife Crisis
- Hochzeit
- Gefängnis
- Kündigung
- Scheidung
- usw.
Manchmal sind es auch eher banale Ereignisse, die existentielle Krisen auslösen:
- Ein Urlaub in Nepal löst die Frage aus, ob der nine-to-five Job etwa schon das ganze Leben ist.
- Ein Bilck in die Augen einer Katze löst die Frage aus, warum wir nicht selbst so glücklich entspannt-schnurrend leben können.
- Der Anblick eines spielenden Kindes stellt uns die Frage, wo die Zeit der unbeschwert spielenden Kindheit geblieben ist.
- Der traute Anblick einer alten Kirche erweckt ein Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit.
Wenn wir wissen, was zu tun ist und einen Sinn in dem Geschehen erkennen können, haben wir auch mit existentiellen Krisen gewöhnlich nur bewältigbare Probleme. Echte Krise wird das erst, wenn Orientierungslücken auftreten, d.h. wenn wir nicht mehr wissen, was wir tun können bzw. in dem, was geschehen ist oder was wir tun können, keinen Sinn sehen.
Das sind die Katastrophen-Punkte des Lebens, in denen sich entscheidet, ob das restliche Leben ein geglücktes oder ein versautes Leben wird. Das ist wörtlich zu nehmen. Hat man einmal sein Leben versaut, ist es sehr schwer, da wieder rauszukommen.
Die andere Seite ist, daß man nur an den Katastrophen-Punkten des Lebens über sich hinausgehen kann. "Über sich hinaus" bedeutet nicht, mehr des gleichen, sondern: qualitativ anders.
- Als Student im dritten Semester kann man so weiter leben, wie im ersten Semester, obwohl man mehr weiß.
- Mit einer Gehaltssteigerung um 10% kann man so weiter leben, wie vorher, nur etwas besser.
- Mit einem 10-jährigen Kind kann man so weiter leben, wie mit einem 8-jährigen Kind, obwohl das Kind älter ist.
- Als Ehegatte kann man nicht so weiter leben, wie als Single.
- Als Elternteil kann man nicht so weiter leben, wie ohne Kind.
- Als Führungskraft kann man nicht so weiter leben, wie als Mitarbeiter.
Das Problem ist: Viele Menschen tun das dennoch, d.h. sie leben qualitativ weiter, wie vorher. Daran scheitert dann die Ehe, wird das Kind ein Problemkind und die Führungskraft versagt.
Katastrophen-Punkte des Lebens sind die Zeitpunkte, an denen qualitative Änderungen des Lebensstils notwendig sind. Bewältigt man diese Katastrophen-Punkte nicht durch eine qualitative Änderung des Lebensstils, folgt eben die Katastrophe.
Über sich hinausgehen bedeutet:
Das Leben qualitativ zu verändern!
Menschen helfen, über sich hinauszugehen, bedeutet:
Ihnen dabei zu helfen, ihr Leben qualitativ zu verändern.
In früheren Zeiten, als die Welt noch in Ordnung war, als der liebe Gott im Himmel alles regelte und der Rest von Priestern erledigt wurde, war das Leben einfach. Alle Katastrophen-Punkte waren normalisiert, denn alles war durch Gott, Priester und Sitten geregelt. Man wußte immer, was erwartet wurde, wie es weitergeht und welchen Sinn alles hatte.
Leider, leider (glücklicherweise?), die Verhältnisse sind nicht mehr so ...
Wir müssen unter den Bedingungen der modernen Welt auf jede dogmatische Antwort verzichten. Dogmatische Antworten überzeugen nicht mehr, weil man erfahren hat, daß sie nicht funktionieren.
Was bleibt ist, daß der Mensch aus dem Unsinn der Katastrophen-Punkte selbst Sinn machen muß. Katastrophen-Punkte sind keine Probleme, sondern Provokationen: Finde Sinn!
Menschen helfen, über sich hinauszugehen, bedeutet dann: Ihnen bei ihrer Sinnsuche zu helfen - nicht aber, ihnen vorgefertigten Sinn (Instant-Sinn a la Esoterik) vorzugeben. Was dann bleibt, sind nicht Antworten, sondern Einsichten, die das Sinn-Finden ermöglichen. Niemand kennt Antworten, aber durch Neugier, Zärtlichkeit, Freundlichkeit, fragende Beratung und Einsichts-Management zur Ermittlung von Frag-Würdigkeiten und Antwort-Räumen ist Hilfe zur Selbsthilfe möglich.
Nun besteht die Mission der TS aber nicht nur darin, zu helfen. Die Mission sagt: Wir sorgen dafür, daß Menschen über sich hinausgehen. Beratung ist distanziert und trägt ihre Folgen nicht selbst. Für etwas sorgen bedeutet: Verantwortung übernehmen.
2. Die Werte der Thelema-Society
Behandle Menschen nie nur als Mittel, sondern immer auch als Zweck!
Das basiert auf der grundlegenden Einsicht, daß jeder Mensch Zwecke (Ziele) hat. Er will überleben und darüberhinaus noch irgendeine Art von Wohlstand, Erfolg und Glück (was immer das für ein Individuum bedeuten mag). Da jeder Mensch diese Zwecke für sich selbst will, fordert er von anderen Menschen, daß diese ihn seinen Zwecken entsprechend leben lassen sollen. Natürlich kann dann jeder andere Menschen fordern, daß auch ihm diese Zwecke zugestanden werden.
Mittel sind Mittel zu einem Zweck. Sie sind das, wodurch ein Zweck realisiert wird.
Ein Mensch wird "nur als Mittel" behandelt, wenn ihm die Möglichkeit, seine eigenen Zwecke zu verfolgen, genommen wird. Das ist der Fall, wenn seine Möglichkeiten über seinen Körper, sein Eigentum und seine Handlungen frei zu entscheiden, von anderen Menschen beeinträchtigt werden - die ihn eben dadurch "nur als Mittel" für ihre Zwecke behandeln. Wer z. B. freie Vereinbarungen mit anderen Menschen nicht einhält, behandelt andere Menschen nur als Mittel, nicht auch als Zweck.
Ein Mensch kann als Mittel zu den Zwecken anderer Menschen beitragen, wenn diese ihn "auch als Zweck" behandeln, d.h. seine Entscheidungsfreiheit als Mittel beizutragen nicht durch Zwang, Gewalt, Täuschung, Lüge oder sonstigen Druck beeinträchtigt wurde.
Die eigene Freiheit endet an der Freiheit der Anderen. Was das praktisch bedeutet, wird durch Kultur, Sitten und besonders durch rechtliche Regelungen bestimmt. Recht, welches über den notwendigen Schutz der Freiheit hinausgeht, ist Unrecht (weil der Mensch durch solches 'Recht' nur als Mittel behandelt würde).
Was der Zweck eines Menschen ist, bestimmt er selbst. Den Zweck des Lebens nennen wir Mission. Wenn ein Mensch keine Mission hat, unterstellen wir ihm als Zweck, seine Mission zu finden.
Wenn ein Mensch hilflos ist, behandle ihn nur als Zweck!
Einen Menschen "nur als Zweck" behandeln, bedeutet: Geben ohne an eine Gegenleistung auch nur zu denken, geschweige denn eine zu erwarten oder zu fordern. Von einem hilflos verletzt am Straßenrand liegenden Menschen verlangt man keine Gegenleistung dafür, daß man ihm hilft.
"Hilflos" ist ein Mensch, wenn er nicht mehr in der Lage ist, sein physisches oder psychisches Leben aus eigener Kraft fortzusetzen bzw. zu sichern, z. B. weil er schwer verletzt ist. Hilflosigkeit darf auch nicht durch Gewalt, Lügen, Täuschen etc. gefördert oder herbeigeführt werden.
Kinder: Es gibt keine moralisch-rechtlichen Pflichten gegenüber Kindern, der Natur oder Tieren, weil diese nicht wissentlich-bewußt wollen und somit kein Sollen anderer Menschen begründen können. Was wir für Kinder, die Natur oder Tiere tun, wenn wir es tun, ohne einen Nutzen davon zu haben, ist immer: Unser eigenes Leben (Lebenszeit) schenken! Wir schenken Leben nur dem, was uns wertvoll ist, also dem wir Wert, bis zur Liebe, z.B. der Kindesliebe, gegeben haben. Das ist auch richtig so, denn nur aus moralisch-rechtlicher Pflicht kann man Kindern nicht gerecht werden: Kinder brauchen Liebe! Liebe kann weder verlangt, noch "gesollt" oder verordnet werden. Sie fällt deshalb unter den nächsten Punkt: Schenken - Liebe kann nur geschenkt werden.
Gib mehr, als Du nimmst!
Das ist die Aufforderung zum Wohlwollen. Die beiden vorhergehenden Werte waren rechtliche und moralische Werte, die ein Sollen (Du) auf einem Wollen (Ich) gründeten. Der Wert Wohlwollen ist hingegen die Aufforderung zu einer Lebenseinstellung, die auf der Fülle beruht, nicht nur Mangel verteilt. Wohlwollen ist keine moralische Pflicht, sondern eine Einladung zum Mitmachen.
Mehr zu geben, als man nimmt oder erhält wird "Schenken" genannt. Geschenke können nicht gefordert werden, denn sonst wären es keine Geschenke mehr. Aber man kann eine schenkende Einstellung fördern.
Natürlich kann nur schenken, wer mehr hat, als er zum Überleben braucht. Andernfalls wäre Schenken Selbstmord (was letztlich auch eine individuelle Entscheidungsmöglichkeit ist). Deshalb liegt in diesem Wert auch die Aufforderung, Fülle zu erschaffen, kreativ und produktiv zu sein.
Der Weg zum Wohlwollen, zu einer schenkenden Einstellung, ist:
- aufeinander hören, d.h. erst den Anderen verstehen (fragen!), bevor man selbst redet.
- zueinander sprechen, sich immer versichern, daß der Andere am Thema interessiert ist und die Mitteilungen versteht.
- füreinander handeln, d.h. nicht handeln, wenn ein Beteiligter oder Betroffener davon einen Nachteil hat, nur handeln, wenn alle Beteiligten oder Betroffenen davon einen Vorteil haben, Synergien suchen, Win-Win finden - und erst dann handeln. Das ist nicht zu verwechseln mit der sogenannten "einspringend-beherrschende" Fürsorge, die dem Anderen seine Sorge nur wegnimmt, sondern ist zu verstehen als "vorspringend-befreiende" Fürsorge: Hilfe zur Selbsthilfe. Nicht Fische, sondern Angeln schenken.
Berücksichtige die langfristigen Folgen deines Handelns!
Hier geht es um den Zeithorizont des Handelns: Je langfristiger die Folgen eines Handelns berücksichtigt werden, desto größer ist die Aussicht auf Erfolg. Hier kommen Neugier und Denken ins Spiel. Dumme Menschen denken kurzfristig - und beschweren sich dann über die unerwünschten Folgen.
"Berücksichtigen" meint nicht nur, darüber nachdenken, sondern, einplanen und entsprechend handeln. "Langfristig" bedeutet:
- denke über den Zeitpunkt der Erreichung des Ziels hinaus (Spätfolgen)
- beachte unbeabsichtigte Nebenfolgen (Dreckeffekte)
- umfangreiche Informationssammlung vor der Festlegung des Ziels, um alle Wirkungsfaktoren berücksichtigen zu können (Zusammenhänge des Ist-Zustandes)
Verfeinere Deine Sinne!
Das bezieht sich auf die ästhetische Komponente des Lebens. Wir definieren Schönheit über die Verfeinerung der Sinne. Die Verschönerung des Lebens ist ein unaufhörlicher Schaffens-Prozeß.
Die Frage ist nicht mehr, was ist der Mensch? und was soll er tun?
sondern vielmehr,
was können wir aus uns machen?
Kommentare
Qualität...
Nen Abend,
also ich bin über diesen Part gestolpert.
Über sich hinausgehen bedeutet:
Das Leben qualitativ zu verändern!
Menschen helfen, über sich hinauszugehen, bedeutet:
Ihnen dabei zu helfen, ihr Leben qualitativ zu verändern.
Ich versteh den Part so, wenn sich mein Leben qualitativ verändert, das es besser wird einen höheren Qualitätsstandard hat als vorher.
z.B. Ich verdiene 3000 Euro und nehme einen anderen Job an und verdiene dann 5000 Euro.
Was bedeutet denn für Dich das Leben qualitativ zu verändern?
LG Lenny
Der nachfolgende Satz ist richtig. Der vorhergehende Satz ist falsch.
Schwierig
Hi Lenny,
eine qualitative Veränderung muß nicht notwendig eine Verbesserung sein. Wer seinen Job verliert muß sein Leben möglicherweise auch qualitativ ändern, aber das ist nicht unbedingt eine Verbesserung. Bei der "Hilfe" geht es jedoch darum, egal welche Veränderung nötig ist, eine Verbesserung zu erreichen.
Was "qualitativ" genau heißt kann man nur im konkreten Einzelfall entscheiden und was für einen Menschen qualitativ ist mag für einen anderen quantitativ sein. Ich hatte deshalb einige konkrete Beispiele zur Erläuterung angeführt. Eine allgemeine Formulierung die alle Fälle umfaßt habe ich nicht gefunden.
Das ist ein altes Problem. Quantitative Veränderungen schlagen irgendwann in eine neue Qualität um, aber der genaue Punkt ist oft nicht zu ermitteln: Je älter man wird, desto mehr Haare verliert man (Quantität) und irgendwann hat man eine Glatze (neue Qualität). Aber welches Haar genau war es, nach dessen Verlust die Glatze da war?
Liebe Grüße
Mike